Dienstag, 30. Juni 2009

Draisinenfahrt in die Kindheit

In Wikipedia heisst es: „Als Draisine wird ein meist vierrädriges Bahndienstfahrzeug bezeichnet, das mit Hand- oder mit Motorantrieb, als Hilfsfahrzeug zur Inspektion von Eisenbahnstrecken sowie zum Transport von Arbeitern und Werkzeug verwendet wird. Neuerdings werden stillgelegte Bahnstrecken von Kommunen und/oder privaten Unternehmen gepachtet und mit hand- oder pedalgetrieben Draisinen als Freizeitgerät bestückt und für touristische Zwecke genutzt.„

In Arvidsjaur kann man auf einer stillgelegten Bahnlinie Draisinenfahrten unternehmen. Im Tourist-Office erhält man die Schlüssel (mit einem Schraubenschlüssel als Schlüsselanhänger) und einen Helm. Dann fährt man zur Bahnlinie, wo man die Gefährte vorfindet.
Und was für ein Anblick einen da erwartet. Was sind das für lustige Spielzeuge!
Parkierte Draisinen

Und dann geht es los! Das ist wirklich ein Mordsspass. Ich fühle mich wie ein Junge auf dem Dreirad, der gleichzeitig mit der Eisenbahn spielt.


Über jede Schienenverbindung hinweg tönt es wie bei einer echten Eisenbahn, man wähnt sich im wilden Westen.


Ich empfehle jedem, der in Arvidsjaur vorbeikommt, eine Draisinenfahrt zu machen.

Auf der Fahrt nach Arvidsjaur habe ich ein zweites Schweizer Paar besucht, Jürg und Simone. Während einer Auszeit (!) von 13 Monaten ist in Jürg die Idee gereift, etwas Neues mit Huskies zu beginnen. Nun bieten sie schon seit 2 Saisons Abenteuertouren an (siehe www.wildact.ch). Jürg meint, er könne sich gut vorstellen, auch etwas zum Thema Fotografie ins Programm aufzunehmen. Denkbar wären Touren mit dem Schwerpunkt Fotografie, mit nachfolgender Bearbeitung der Resultate. Da ich nur 2 Stunden Zeit habe (ich habe mit Dan in Arvidsjaur abgemacht) bleiben die Pläne noch unkonkret, doch werden wir in Kontakt bleiben und die Pläne weiter schmieden.

Kanufahrt um Mitternacht

Die Strasse nach Ammarnäs ist eine Sackgasse. Wir fahren also wieder bei den Schweizern vorbei, die wir schon auf dem Hinweg besucht haben. (Ein deutsches Paar, das ich auf einem Übernachtungsplatz etwas nördlich von Östersund getroffen habe, hatte eine Jacke bei den Schweizern in der Nähe von Sorsele vergessen. Da dies auf meinem Weg lag, habe ich versprochen, die Jacke zu holen, und sie auf meinem Weg in die Schweiz in Deutschland abzuliefern – Geschichten, die das Leben schreibt.)
Beim zweiten Besuch also wollen wir uns ein Kanu ausleihen, um eine Flussfahrt machen zu können. Es war zeitlich nicht so geplant, aber der Gang der Dinge hat so entschieden, dass es eine Nachtfahrt werden sollte. Wobei Nacht eigentlich nicht das richtige Wort ist, da es ja nicht dunkel wird.
Abfahrbereit um 21.30 Uhr









Um 0.45 Uhr steigen wir am Zielort aus dem Fluss. Eigentlich hätte es auf dem Fluss keine Mücken haben sollen, doch offenbar gibt es Ausnahmen. Wir sind auf jeden Fall froh um das Antibrumm forte.
Matthias und Barblina, das Schweizer Paar mit 3 kleinen Kindern, ist seit etwas mehr als einem Jahr daran, hier in Nordschweden eine Existenz auf- und auszubauen.
Anwesen von Matthias und Barblina

Als wir das Kanu und die Ausrüstung zurückbringen, ist der Bagger daran, die Fundamente für die 2 neuen Gästehäuser auszuheben.


Matthias zeigt uns das Anwesen, die Häuser, die Huskies, das Material. Dies alles und das Abenteuer-Angebot ist zu finden unter www.erlebnis-wildnis.com.
Matthias findet, ich könne doch einmal im Winter kommen, um für sie zu fotografieren. Für ihn sei es schwierig, eine Tour zu führen und gleichzeitig zu fotografieren. Obwohl ich bis jetzt eigentlich nicht viel von Kälte und Winter gehalten habe, werde ich kommen. Denn einerseits reizen mich die fotografischen Möglichkeiten und Herausforderungen. Andererseits bewundere ich Leute wie Matthias und Barblina, die einen solchen Riesenschritt machen, um ihre Träume zu realisieren.

Ammarnäs

Ammarnäs liegt am bekanntesten schwedischen Fernwanderweg „Kungsleden“, der Abisko mit Hemavan über 500km durch die Bergwelt verbindet. Der Kungsleden ist sogar auf der 900‘000er Karte eingezeichnet.
Da Dan, mein schwedischer Begleiter, ein erfahrener Berggänger ist, gehen wir 2 Tage in die Höhe (zur Übernachtung kehren wir zu unserem Basislager auf Höhe der Waldgrenze zurück).


Am zweiten Tag tragen wir unsere ganze Fotoausrüstung mit, inkl. langem Tele, um Tiere zu fotografieren.
Dan voll bepackt

Ausser Vögeln lassen sich aber weit und breit keine Tiere blicken. Mein Sohn Fabian, mein Vogelspezialist, meint immerhin, dass das Foto der Spornammer im Prachtkleid nicht ganz alltäglich ist.
Spornammer im Prachtkleid

In Ammarnäs selber gibt es einen Vogelturm, von dem man einen Überblick über die Seenlandschaft hat. Bei der Anfahrt zum Turm kreuzen 3 Elche kurz vor uns die Strasse. Die 2 vorderen fliehen Richtung Vogelturm, wobei der kleinere beim Überspringen eines Zauns mit den Hinterbeinen hängen bleibt und stürzt. Er rappelt sich auf und läuft leicht hinkend weiter. Der 3. Elch macht rechtsumkehrt und läuft wieder in den Wald hinein.
Beim Vogelturm treffen wir wieder auf die zwei. Sie geraten ab unserer zweiten Begegnung offenbar so in Panik, dass sie Richtung See stürmen,
Schäumend auf der Flucht

und das ca. 1m tiefe Wasser richtiggehend durchpflügen. In ca. 200m Entfernung tönt das Ganze wie ein Wasserfall, da muss eine unheimliche Kraft dahinter stecken.
Im brusttiefen Wasser

Doch dieses Bad hat die Panik noch nicht abkühlen können. Kaum aus dem Wasser,
Ausstieg aus dem ersten See

geht es weiter in den nächsten See, bei dem nun Schwimmen angesagt ist. Dort verlieren wir sie dann aus den Augen.
Im tiefen See

Nach diesem erstaunlichen Schauspiel (Dan meint, so etwas habe er noch nie gesehen), wenden wir uns den Vögeln zu.
Beobachtung mit dem grossen Teleobjektiv

Doch wir sind so weit von den Vögeln entfernt, dass nicht einmal das 500er Tele mit 1,4fachem Telekonverter reicht (ergibt eine Brennweite von 1120mm). Immerhin gibt es aber schöne Landschaftsbilder und Aufnahmen der Mückenschwärme.
Junge Birken

Mücken können eine Plage sein

Mitternachtssonne

Eigentlich sollte man die Mitternachtssonne erst ab dem Polarkreis sehen. So dachte ich jedenfalls. Die 7 Bilder, die ich zu einem einzigen Bild kombiniert habe (leider habe ich nicht immer die gleichen Zeitabstände zwischen den Fotos gewählt) sind in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni zwischen 0.17 und 1.52 Uhr entstanden und zeigen, dass auch hier, auf einer nördlichen Breite von 65°40' (fast 1° südlich des Polarkreises), die Sonne nicht ganz untergeht.


Folgendes Bild, um 0.27Uhr aufgenommen, zeigt, dass man bei diesem Licht sogar noch aus freier Hand fotografieren kann.

Montag, 22. Juni 2009

Wildnis Nordschwedens

Nach ein paar wechselhaften Tagen hat sich das Wetter nun gewandelt. Strahlender Sonnenschein und Temperaturen, bei denen man auch mal den Pullover ausziehen kann, sind an der Tagesordnung. Das ist ein ganz anderes Lebensgefühl.
Es ist ein erhebendes Gefühl, auf diesen Strassen zu fahren. Man ist ganz alleine, 10 Meter neben der Strasse endet die Zivilisation, beginnt die unendliche Wildnis. Der Blick geht dabei scheibenwischermässig von einer Seite zur anderen, denn hinter jedem Baum, hinter jedem Felsen könnte ein Bär zu sehen sein. In Schweden leben ca. 3000 Bären, und diese Gegend ist die bärenreichste.
Bären habe ich noch keinen gesehen. Doch in the middle of nowhere habe ich ein Elchpaar angetroffen.
Elchpaar

Eines Morgens haben mich sonderbare Geräusche um den Camper geweckt. Ich war umringt von etwa 200 Rentieren.
Rentiere mit Albino


Grundbedürfnis


Widerkäuen auf einem Schneefeld

Und in einem Naturreservat hat sich ein Biber durch meine Anwesenheit nicht wirklich stören lassen.
Biber

Neben Tieren ist natürlich Wasser, ich habe es auch schon erwähnt, ein zentrales Thema. Nicht nur, dass es dadurch unzählige Mücken hat (es kann schon ziemlich mühsam werden), Seen und Wasserfälle bieten eine schöne und spektakuläre Szenerie.

Anglerstuhl bei Ankarede


Hällingsåfallet, 45m Wasserfall

Trappstegsforsen, treppenartiger Wasserfall

In Saxnäs gibt es eine Villa, in der seit den 40er Jahren Künstler aus aller Welt gratis leben und wirken konnten. Als Gegenleistung mussten sie aber ein Kunstwerk, das sie hier erschaffen haben, zurücklassen. Daraus hat sich über die Jahre eine Sammlung von über 1100 Objekten ergeben. Seit ein paar Jahren müssen die Künstler, die immer noch in diese inspirierende Umgebung kommen, ihren Aufenthalt nicht mehr mit Werken, sondern mit Geld bezahlen, denn für weitere Werke hat es einfach keinen Platz mehr.
Den grossen Spiegel im Eingang habe ich für ein Selbstporträt genutzt.



Seit 2 Tagen bin ich mit einem 41jährigen Schweden unterwegs. Wir haben uns in einem Naturreservat getroffen und festgestellt, dass wir ungefähr die gleichen Routenpläne haben. Ich profitiere von seinen sprachlichen und örtlichen Kenntnissen, er von meinem fotografischen Knowhow. Im Moment sind wir auf dem Weg nach Ammarnäs, wo wir evtl. eine mehrtägige Wanderung machen werden.

PS: In Schweden scheinen die Bäcker einen guten Draht zu höheren Mächten zu haben.

Montag, 15. Juni 2009

Oh, no no, it's terrible!

Wusst' ichs doch. Ich bin im Jahrhundertschlechtwetter!

Vor dem geschlossenen Jamtli-Museum (in Schweden sind die Museen offenbar am Montag immer geschlossen, obwohl ein verregneter, windiger und kalter Montag ein wunderbarer Museumstag sein könnte) habe ich eine Einheimische gefragt, ob das Wetter hier immer so sei. Ihre Reaktion war ein entsetztes "Oh, no no, it's terrible"

Sonntag, 14. Juni 2009

Schwedens Mitte

Zürich: Sonne°, min. 17°, max. 27
Östersund: Regen, min. 1°, max. 7°, Sturmböen

Das wunderbare Panorama über den Storsjön (See, an dem Östersund liegt) sieht bei diesen Bedingungen so aus:

Panorama vom Hoverberg

Bei diesem Wetter hat sich mir auch das Ungeheuer (wahrscheinlich ein naher Verwandter von Nessie vom Loch Ness), das im See hausen soll, nicht gezeigt.

Als ich gestern gehört habe, wie das Wetter in Zürich ist, hat mich ein ziemlicher Koller erfasst. Denn ich liebe die Wärme, die Kälte hingegen ist eher wie ein Feind, den man bekämpfen muss. Natürlich, Östersund ist etwas nördlich des 63. Breitengrades, da ist es schon etwas kühler. Aber doch bitte nicht so!

Zwischendurch gibt es aber auch ab und zu Abschnitte ohne oder mit nur wenig Regen. Diese nutze ich, um mir ein wenig die Beine zu vertreten.

Auf dem Friedhof von Eskhärad hat es über 300 Lebensbäume an Stelle von Grabsteinen. Das gibt dem Friedhof eine sehr leichte und friedliche Note.


Lebensbaum


Im Naturreservat Fänstjarnskogen, in dem ich eine Nacht verbracht habe, gibt es einen wunderbaren Wanderweg durch Urwald und über Sumpf und Moor.


Pfad durch den Urwald


Baufällige Brücke über den Sumpf

Den Hamra Nationalpark, den kleinsten Nationalpark Schwedens, kann man in etwas mehr als einer Stunde umrunden. Ein wunderbar friedlicher Ort.


Plankenweg über Sumpfgebiet


Und da es in Schweden überall Wasser hat und es zudem sehr hügelig ist, fehlen Wasserfälle auch nicht.

Wasserfall in Noppikoski

Wenn ich Rückschau halte, sehe ich, dass auch unter diesen erschwerten Bedingungen einiges möglich ist (das Wetter ist seit 4 Tagen so). Auf die Gefahr hin, als Warmduscher zu gelten, habe ich zu meinem Wohlergehen beschlossen, den Camper auf 17°-18° zu heizen.

Besserung ist noch nicht in Sicht, aber es kann ja nicht ewig so weitergehen, oder?

Samstag, 13. Juni 2009

Südschweden

Schweden, das Land von Ikea, Abba, Astrid Lundgren, Björn Borg und Söderling.
Den historischen Sieg von Federer in Roland Garros habe ich auf einem Parkplatz in der Nähe von Falkenberg auf dem DVB-T-Empfänger meines GPS-Geräts verfolgt. Da ein Schwede sein Gegner war, war das schwedische Fernsehen live mit dabei.

Auf meiner Fahrt in den Norden ist es vor allem die grandiose Natur, die mich beeindruckt. Diese Variationen von Wasser, Wald und Fels in 1000 Kombinationen sind faszinierend. Hier hat es Übernachtungsplätze in totaler Abgeschiedenheit, wo sich Fasane im Staub suhlen, Schlangen zwischen den Felsen verschwinden, Hasen am Camper vorbeispazieren, Rehe grasen ...

Leseplatz am Meer bei Bua


Sonnenuntergang bei Bua


Blick aus dem Küchenfenster im Naturreservat Svartedalen

Leseplatz im Naturreservat Svartedalen

Sonnenuntergang im Naturreservat Svartedalen


Daneben kommt auch das kulturelle Interesse nicht zu kurz. Ein Highlight waren die Felsritzungen um den Ort Tanum, die zum UNESCO Weltkulturerbe gehören. Diese Figuren wurden in einer Periode von 1800-300v.Chr. in die Felsen geritzt. An den 4 Orten, die ich besucht habe, hat es ca. 20 solcher Felsen. Damit die Figuren besser sichtbar sind, wurden sie mit roter Farbe ausgemalt, wobei die Farbe z.T. schon stark ausgewaschen ist.

Hauptfels von Vitlycke

Die bekannteste Szene auf dem Fels von Vitlycke ist das Brautpaar, das von einem Priester mit erhobener Axt gesegnet wird. Eine andere Interpretation ist, dass der gehörnte Ehemann den Geliebten seiner Frau in flagranti erwischt und ihn erschlägt.


Das Brautpaar von Vitlycke

"Mit erhobenen Armen grüsst die Frau von Fossum ihre Besucher. Die Schalengrube (roter Punkt) zwischen ihren Schenkeln wurde als Ei oder Vulva, das weibliche Geschlecht, interpretiert. Beider sind Symbole für das Leben. Andere wollen die Geburt eines Kindes im Bild sehen." So die Infotafel zu folgendem Bild.


Die Frau von Fossum


Der Fels von Litsleby wird von einem Speergott dominiert. Diese Figur ist mit 2,5 Metern die grösste Felsritzungsfigur Skandinaviens.

Der Riese von Litsleby

Unter den dargestellten Figuren hat es tausende von Schiffen. Sie werden als Schiffe, auf denen man durch das Leben und den Tod fuhr, interpretiert.


Schiff in Askeberget

Inzwischen bin ich auf 61°45' nördlicher Breite angelangt. Hier sind die Nächte schon sehr kurz, wobei es nicht mehr ganz richtig dunkel wird. Ab 66° nördlicher Breite geht die Sonne dann gar nicht mehr unter. Um das wirklich erleben zu können, braucht es aber besseres Wetter als wir im Moment hier haben. Es regnet in Strömen (nicht zum ersten Mal in den letzten paar Tagen), und die Wetterprognosen sind nicht besser.

Montag, 8. Juni 2009

Dänemark

Jetzt habe ich Lust, in den Norden zu kommen.

Brücke über den Storebaelt

Auf meiner Fahrt durch Dänemark wollte ich deshalb nur 2 Orte besuchen: Die Aquarien des Meeresforschungszentrums Fjord&Baelt in Kerteminde sowie den Dom von Roskilde.

Fjord&Baelt war eine Enttäuschung: 2 kleine Becken mit Robben und Schweinswalen, durch einen "Kellergang" mit Bullaugen hätte man theoretisch etwas gesehen, wenn das Wasser nicht so trüb gewesen wäre. Zudem ein Informationsausstellung, die für Familien mit Kindern ideal ist. Gefallen hat mir immerhin ein Aquarium mit Schollen. Das ist ein Fisch, der eigentlich hochformatig gebaut ist, aber beide Augen auf der gleichen Seite des Körpers hat, und so flach am Meeresboden lebt.

Scholle am Meeresboden

Der Dom von Roskilde gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO. Von aussen scheint mir der Bau nicht wirklich überwältigend. Wie er innen aussieht kann ich leider nicht beurteilen, denn er war den ganzen Tag für Besucher geschlossen.


Dom von Roskilde


Ist aber alles kein Problem. In der Zwischenzeit bin ich in Schweden, bei wunderbarem Sonnenschein mit Blick auf den Strand und das Meer. Da sind solche Unpässlichkeiten schnell abgehakt.